Wir sprechen mit

Anna Iskina

Anna Iskina führt die Künstleragentur und Produktionsfirma anna iskina arts management und arbeitet mit namhaften Künstler*innen aus dem Bereich der klassischen Musik, dem Theater und Film zusammen. Zudem ist sie ein kritischer Geist mit einem bestechenden Auge für Qualität, Talent und Möglichkeiten. Foto: ©Elya Yalonetski

Salz + Kunst: Woran machst du Qualität in Kunststücken fest?

Anna Iskina: Ich tue mich schwer mit dem Begriff «Qualität». Das klingt so nach Gütesiegel. Die Frage ist vielleicht eher: Was macht ein Kunststück zu Kunst?

Ich persönlich habe höchste Ansprüche an die Kunst, weil ich weiss, was sie zu leisten vermag: sie kann bewegen, faszinieren, inspirieren, erschüttern. Diese Erfahrung ist wie ein astronomisches Ereignis, sehr selten. Aber wenn man das mal erlebt hat, dann sucht man danach, wie nach dem Kick einer ersten Verliebtheit.

Wenn jemand begnadet und ernsthaft Kunst macht, dann ist das immer beeindruckend. Dann geschieht es, dass ich vor Dankbarkeit zerfliesse, diese Kunst erleben zu dürfen. Und wenn dann noch in mir die Sterne richtig stehen und die künstlerische Botschaft im richtigen Moment auf fruchtbaren Boden fällt, dann bin ich mal kurz im Nirwana.

Salz + Kunst: Welche Publika würdest du dir wünschen?

Anna Iskina: Ich würde mir Publika wünschen, die wissen, was Kunst für sie tun kann. Sie sollen bitte mündig, launisch, lustvoll und neugierig in die Veranstaltungen kommen. Sie sollen sich wichtig und essentiell fühlen. Ich liebe es, wenn in Berlin während einer Premiere die Hälfte rausgeht und die andere Hälfte am Ende aus den Standing-Ovations nicht mehr rauskommt. Da gibt es dann Reibung, Krawall, Emotionen. Die einen schnauben vor Wut, die anderen sind in Ekstase – fast wie im Stadion.

Es ist mein grosser Wunsch, dass wir viel mehr Formate kreieren, wo wir mit dem Publikum ins Gespräch kommen, wo wir uns austauschen und darüber sprechen, was Kunst in Menschen bewirken kann. Obwohl die Kunst omnipräsent ist, wissen viele nicht mehr, was sie in uns auszulösen vermag.

Einerseits wird „Kunstkonsum“ ganz oft als gesellschaftliche Pflichterfüllung missverstanden. Man geht dienstags immer ins Konzert oder ins Theater, weil sich das so gehört und zahlt auch noch ein Vermögen, weil irgendein Big-Name irgendwo auftritt. Aber mal ehrlich: das ist doch so wenn ich sage, dass der Sex immer samstags zwischen 21 und 22 Uhr stattfindet. Wie langweilig!

Andererseits gibt es solche, die gehen nirgendwo hin, weil sich ihnen der Sinn nicht erschliesst. Die denken dann an Elfenbeintürme, Eliten und Snobs. An diese Leute müssen wir ran. Wir müssen mit ihnen sprechen, wir müssen ihnen zeigen, dass sie unabdingbar sind für die Kunst, wir müssen sie als Publikum gewinnen.

Salz + Kunst: Welche Räume sollten sich mehr öffnen oder welche Räume sollten vielleicht sogar geschlossen werden für Kunstereignisse?

Anna Iskina: Die physischen Räume interessieren mich ehrlich gesagt nicht so sehr; bis auf akustische Fragen.
Aber wenn ich als Zuschauerin nicht präsent bin und mich nicht öffne für die Kunst, die ich erlebe, dann verpufft sie. Das ist wie ein Ball, der nicht zurückgespielt wird. Und so ein einseitiges Ballspiel ist überall traurig: auf dem Fussballfeld, im ultra-angesagten Club, in der Mailänder Scala, im KKL in Luzern oder in einem Hangar. Die inneren Räume – die müssen wir kultivieren, anschauen, sperrangelweit öffnen, regelmässig lüften, bespielen und dort Resonanzen erzeugen!

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